Als ich noch zur Schule ging, kaufte meine Mutter eine Nähmaschine. Nähen
konnte keiner in der Familie, Kurse gab es nicht und YouTube schon gar
nicht. Ich brachte mir das Nähen mit Hilfe der Gebrauchsanweisung der
Nähmaschine, des Werkes "Das große Ravensburger Handarbeitsbuch" von 1972
und der Nähanleitungen in Schnittmustern selber bei.
In meiner Schul- und
Studienzeit nähte ich Kleidung aus gewebten Stoffen. Damals
hatte jedes Kaufhaus eine Stoffabteilung. Im Schlussverkauf kriegte man
Stoffe billig, und selber nähen sparte tatsächlich Geld.
Als ich endlich selber Geld verdiente, kaufte ich mir eine eigene
Nähmaschine (eine Pfaff tipmatic 1051). Natürlich fehlte
mir bald die Zeit zum Nähen. Die Nähmaschine wurde nur noch für
Reparaturen und das Kürzen von Hosenbeinen benutzt.
Nach vielen Jahren klaglosen Dienstes begann die Nähmaschine Probleme
zu machen. Der Unterfaden bildete ständig Schlingen. Die Maschine
landete im Keller. Es dauerte ein paar Jahre, bis ich raus kriegte, was
ihr fehlte, und wie man das repariert: Das Alte-Nähmaschine-Syndrom.
Vor einigen Jahren fing ich an, Hüllen aus Neopren für meine
Kleinelektronik und andere empfindliche Gegenstände zu nähen. Das ist
einfachste Näherei- kurze gerade Nähte, und versäubern muß man nix.
Jerseystoffe und Funktionsstoffe waren gesellschaftsfähig geworden. Ich
hatte keine Lust mehr auf unbequeme Webstoff-Oberteile. Jersey verarbeiten
konnte ich nicht, der genähte Stoff schlug Wellen. Ich dachte tatsächlich,
das läge an der Nähmaschine, und man bräuchte eine Overlock, um Jersey zu
nähen!
Und dann kam der Urlaub im August 2017. Ich lag im Schlafsack, der Regen
prasselte aufs Zelt, und ich stellte fest, dass der Kleidersack mit dem
"Kopfkissenbezug-T-shirt" im Kajak geblieben war. Das glatte Kopfkissen
flutschte ständig weg und ich beschloss zum hundertsten Mal, endlich einen
Bezug dafür zu nähen.
Diesmal hatte ich Unterstützung vom Wetter. Das
sorgte nämlich dafür, das wir den Urlaub hauptsächlich zu Hause
verbrachten. Statt zu paddeln guckte ich Nähvideos, las die
Gebrauchsanweisung der Nähmaschine, spielte und probierte. Dabei fand ich
raus, dass meine Maschine hervorragend Jersey nähen konnte.
Ich nähte tatsächlich einen Bezug für mein aufblasbares Kissen aus einem
Jersey-Strechlaken aus der Putzlappenkiste. Dabei biss mich die
Nähbazille, und seitdem ist kein Lumpen mehr vor mir sicher. Seit fünf Monaten arbeite ich mich durch die
Putzlappenkiste, Schubladen und Schränke und repariere, ändere oder verwerte
die Stoffe für diversen Kram, den ich schon immer mal haben wollte.
Diesmal musste ich nicht alles alleine raus kriegen, Youtube und vielen
kompetenten Nähbloggern sei Dank. Nicht alle Fragen beantwortet das Netz.
Ab und zu muss ich selber denken. Manchmal
kommt sogar was dabei raus. Diese Lösungen poste ich hier. Vielleicht helfen
sie jemand anderem weiter.